Für wen ist eigentlich dieser Text gedacht

…, der bereits am 04.02.2014 im Blog des Suhrkamp Verlags erschien, von Herrn Friedrich Forssman stammt und sich mit dem Thema E-Book beschäftigt? Ist er für die große Internet-Herde, die gerne im Vorbeiklicken interessante Sachen niedertrampelt, für die kleine feine Elite, die ihn zu deuten vermag und Polemik als solche erkannte oder gar nur für Experten der Branche und Kollegen, um zu amüsieren? Wahrscheinlich ist er für alle, die sich noch die Zeit nehmen, einen im Internet erschienenen Text in aller Ruhe und Aufmerksamkeit zu lesen und den kläglichen Rest, der sich kurz die Mühe macht, über das Gelesene nachzudenken.

Bei solchen Blogartikeln wie Forssmans sollte die Kommentarfunktion für ca. 24 Stunden deaktiviert werden. Das gibt den vielen etwas schnellurteilenden und vielleicht zerstreuten Lesern eine Chance, über den Zeilen zu grübeln, die sie meistens sowieso nur überflogen haben. Vielleicht schaffen sie es in dieser Zeit sich ein eigenes Urteil zu bilden oder sowas wie eine Meinung zu entwickeln, einige werden diese Stunden nutzen und den Text ein zweites Mal lesen. Super!

Dass momentan einfach drauflos kommentiert wird, gehört zu den Internetgepflogenheiten genauso wie das Verstecken hinter blöden Nicknames, besonders wenn man radikale Meinungen vertritt. Einige Kommentarbeispiele aus dem Blog des Suhrkamp zum besagten Artikel (die Fehler sind mit Absicht nicht korrigiert):

“Das ist der rückwärtsgewandteste Text., den ich jemals gelesen habe. Mit fallen auch nur wenige Podien ein, auf denen Menschen sich ähnlich abstrus und ignorant geäußert haben—
(Kommentar von Herrn T.S.)

“Was wird denn hier unter begüterte Bildungselite verstanden?Ich bin Handwerker und begeisteter Bücherleser. Ja, bei mir stapeln sich die Bücher, obwohl ich nicht der begüterten Bildungselite angehöre—
(Kommentar von Herrn F.)

Danach folgte der Kommentar von Fritz:
“Es ist ja erheiternd zu sehen, wie sowohl das E-Book als auch hundertausende gedruckte Unbücher sich parasitär an die Aura des Buchs dranhängen und uns versprechen, das, was man da liest, beruhe auf langer Mühe, Weisheit, Inspiration, innerem Antrieb, womöglicher lebenslanger Suche und käme gleichsam als die Summe langen Nachdenkens oder aufwendiger Forschung daher—
„So viel Halbwissen, Unwissen und Lügen in einem Artikel ist ja schon peinlich.“
(Kommentar von Herrn C.)

“Danke Herr (copy & paste) Friedrich Forssman, danke Suhrkamp, solche Einsicht tut gut. Die Branche sei Mist, alle Verlage doof. Man nimmt dem Kunden seine Rechte weg, man richtet sich nach dem Mammon, sofort bereit das Werk umzuschreiben damit es jedem gefällt. Da sieht man den Unterschied- Sie kritisieren offen ihre Branche, von Amazon würde ich sowas nie erwarten. Wenn die Versuchung so groß ist, wenn Sie sich und Kollegen als zu schwach erachten, dann bin ich dankbar. Danke, Sie kundenverachtendes Monster, dass Sie mich vor solchen kundenverachtenden Monstern bewahren! Aber zum Glück ist nicht jeder Verlag ein, wenn auch zur Selbstkritik fähiger, Riese und gnadenloser Kapitalist wie Suhrkamp, nicht jeder Autor/Verleger/Buchsetzer ein Friedrich Forssman…“
(Kommentar von Herrn G.T)

“Weiter unten fragte jemand: Ist das Satire? Ja, das könnte die Erklärung sein! Meinerseits nur Kopf schütteln über dieses Geschreibe—
(Kommentar von Frau L.R.)
Hierauf folgte dann der Kommentar von Herrn R.G.:
“Ach, ihr armen […] ! Ihr werdet alle in Schönheit sterben. Der Autor schafft es nicht einmal mehr um die Ecke der letzten Rechtschreibreform. Und es ist gut, dass es Arno Schmidts Texte nicht als eBooks gibt. Er hat bereits zwei Generationen von Germanisten und Schriftstellern psychisch und stilistisch zerrüttet. Das muss jetzt langsam mal ein Ende haben—

Dann kommt Herr S.K., der uns die Welt erklärt – danke!:
“E-Books sind technisch gesehen Webseiten. Allerdings sind E-Books die rein digitale Repräsentation eines Werkes, um die physischen Beschränkungen einer gedruckten Buchseite erleichtert. Von daher kann man schon im weiteren Sinne vom „Buch in digitaler Form“ sprechen—
Zwischendurch gibt es noch duzende dieser Blabla-Kommentare, wie „Nachfrage bestimmt Angebot“ und „Toller Artikel, ich lese ja den Cicero und da stand, blabla—, „Alles doof, alles Scheiße, alles Dreck“.

Werbegag oder Schuss ins eigene Knie?
Man könnte meinen, dass dieser Artikel eine gute Werbung für den Verlag wäre: viele Kommentare, Shares, Backlinks (jetzt noch einen mehr von meinem Blog) und Likes. Weit gefehlt! Stattdessen distanziert sich der Verlag sehr deutlich von diesem Beitrag. Bereits vor dem Artikel schlägt einem in blassgrauer Schrift entgegen “… Bei seinen Ausführungen zum Thema eBook handelt es sich um seine persönliche Meinung—. Ein ähnlicher Kommentar vom Moderator des Suhrkamp-Verlags findet sich auch sofort als Reaktion auf den folgenden Kommentar:
“Lieber Herr Forssmann,
ich habe aus Unwissen darüber wie böse E-Books sind erst vergangene Woche ein Suhrkamp-Buch als E-Book gekauft. Hätte ich gewusst, dass der Suhrkamp-Verlag eigentlich gar keine E-Books verkaufen will, hätte ich das natürlich gelassen—
(Kommentar von Herrn D.F.)

Heute braucht man online ausschließlich Like-bare Meinungen und deren Vertreter. Wenn jemand etwas anderes macht, sagt oder eben anders schreibt und es nicht gleich mit der Euphorie der digitalen Masse begrüßt wird, ist es Scheiße und man muss sich distanzieren. Ob die Aussage überhaupt verstanden wird, ist Nebensache. Es zählt nur noch die erste Reaktion. Soviel zur Werbestrategie.
Friedrich Forssmann hat gut lachen. Sein Name ist bekannt, der Artikel macht die Runde und damit auch sein Name. Was also schert ihn der Ruf des Suhrkamp-Verlags? Sicherlich hat er viele interessante E-Mails erhalten.

Und dann schrieb Zoe ( bitte denkt Euch zwei Punkte über dem e) Beck…
…eine Antwort auf Forssmanns Artikel, selbstverständlich als Kommentar mit Link auf die eigene Website culturmag.de. Unter Zoe(mit Pünktchen-e)s Artikel finden sich leider nur 23 Kommentare auf – das sieht dünn aus im Gegensatz zu den guten 130 bei Suhrkamp, aber kommen wir zum Inhalt von Becks Artikel. Da haben wir also eine kurze Zusammenfassung von Forssman. Gefolgt von der Ansage, dass sie Herrn Forssman gar nicht wirklich kennt, aber seine Arbeit. Oh ha! Allerdings kann sie sehr gut einschätzen, an welche Werke Herr Forssman in seiner Tätigkeit als Buchgestalter Hand anlegen würde. Wie denn das? Erst danach kommt endlich, endlich und nochmals endlich der informative Teil des Artikels. Trotzdem wird man das Gefühl nicht los, dass auch Frau Beck sich den Artikel Forssmans sehr zu Herzen genommen hat. Warum eigentlich? Oder hat Frau Beck nur den Publicity-Effekt ihres Vorredners bzw. -schreibers genutzt?

Was ist nun mit diesem verdammten Artikel „Warum es Arno Schmidts Texte nicht als E-Book gibt“?
Nach all der Aufregung und den Kommentaren wissen wir immer noch nicht, wozu Herr Forssman diesen Artikel geschrieben hat. Ist das tatsächlich seine Meinung? Warum äußert er sie auf einem Blog, dem diese Meinung im Nachhinein gar nicht so gut zu gefallen scheint? Hat er diesen Artikel nur geschrieben, weil ihm furchtbar langweilig war oder wollte er seiner Wut mal so richtig Luft machen? Bezahlt ihn jemand dafür oder ist Suhrkamp nichts mehr eingefallen, um die Rubrik „Forum“ zu füllen? Ist ja auch vollkommen egal. Interessant ist und bleibt wie wir mit solchen Artikeln umgehen, wie wir sie lesen und interpretieren beim ersten und dann hoffentlich auch beim zweiten Hinsehen. Dafür sei allen Beteiligten gedankt.

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