Jugendschutz bei E-Books

Vor einer Weile konnte man auf buchreport.de nachlesen, dass sich über eine Kennzeichnungspflicht von E-Books bezüglich der Altersgrenze Gedanken gemacht wird. Sie zählen zu den „Telemedien“ im Sinne des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages (JMStV).

Schon gewusst: dieser Vertrag ist strenger als das Jugendschutzgesetz. Dies mag für viele Bereiche wie DVDs und CDs sehr sinnvoll sein, allerdings gilt er auch für Betreiber von Websites, also auch Internetbuchhändler.

Den dazugehörigen, interessanten Blogbeitrag von Steffen Meier findet Ihr auf seinem Blog meier-meint.de. In dem Beitrag spricht er einige bedenkenswerte Aspekte an und nennt das Kind auch beim Namen, denn es geht um FSK bei E-Books. Zuerst weist Meier deutlich auf die „freiwillige Selbstkontrolle“ hin und ihren Ursprung in der Filmbranche. Auch spricht er die Arbeit der Bundesprüfstelle an, die ebenfalls für gedruckte Bücher und Hefte zuständig war und ist. Die Geschäftsfähigkeit beim Erwerb entsprechender Medien schneidet Meier ebenfalls an: Es kann nur derjenige kaufen, der in der realen oder virtuellen Welt über die entsprechenden finanziellen Mittel verfügt. Auch heute werden im stationären Handel jugendgefährdende Inhalte nicht unbedingt als Eyecatcher präsentiert und vertrieben. Dann aber kommt der Autor, der als Leiter Produktinnovation und -marketing bei dem E-Book-Spezialisten Readbox tätig ist, auf den Punkt: Das E-Book ist ein digitales Produkt und mit gleichen Technologien produziert wie Websites und Dienstleistungen, die dem Jugendschutz insoweit Rechnung tragen, dass man vor der tatsächlichen Anzeige des Inhalts, eine nicht weiter kontrollierbare Altersabfrage beantworten muss. Sei es nun die Frage „Bist Du 18? – Ja, nein“ oder durch die Eingabe des Geburtsdatums (wer sowas noch nicht gesehen hat, besucht einfach den Internetauftritt einer beliebigen Großbrauerei). Bereits an dieser Stelle greifen Kontrollmechanismen, die für CDs, DVDs und Bücher sinnvoll sind, nicht mehr. Denn der Zugang zu Internetinhalten ist nun mal ein ganz anderer. Bereits an dem Punkt wird deutlich, dass man das E-Book noch immer nicht genau zuordnen kann.

 

Literatur, Lesen, Jugendschutz und Internet

Mittlerweile weiß man gar nicht mehr, ob man eher weinen oder lachen soll, wenn man solche Berichte liest. Immer dringender wird auch die Frage, wer sich wann und wie mit solchen Themen beschäftigt und auf welchem Wissensstand die entsprechenden Personen sind, die solche Anträge bzw. Diskussionen aufkommen lassen. Wer also in der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) ist auf die Idee gekommen, die Kennzeichnung für E-Books in Angriff zu nehmen?

Steffen Meier hat in seinem Artikel bereits knapp geschildert, dass man die altbekannten Medien nicht mit dem E-Book gleichsetzen kann. Ich möchte etwas weiter gehen und sogar einige seiner Aspekte entkräften.

 

Geschäftsfähigkeit

In der heutigen Zeit ist Online-Einkauf nicht mehr ans Alter gebunden. Mit der Einführung des Gutscheins für digitale Medien haben selbst beschränkt Geschäftsfähige theoretisch die Möglichkeit alles zu kaufen, was digitale Welt und Budget hergeben. Die momentan bestehenden Prüfungen können zumindest leichter umgangen werden, als bei dem stationären Kauf vor Ort, wo direkt nach Alter bzw. Ausweis gefragt wird.

 

Unterm Ladentisch

Kennt das Internet in Form von Log-In-Bereichen, die von Admins nur an bestimmte User vergeben werden, um an bestimmte Inhalte einer Website zu kommen. Das ist aber nicht gemeint.

Durch den nahezu anonymen Online-Einkauf gibt es kaum noch Hemmungen. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie die Jungs im Bekanntenkreis erzählt haben, als sie zum ersten Mal den Playboy (eine noch nicht mal unter dem Ladentisch gehandelte Zeitung) gekauft haben. Da ist man erst 20 Minuten vor dem Laden bzw. Kiosk rumgetigert und hat gewartet bis niemand anderes im Laden stand. Jetzt sitzen die Jugendlichen daheim und kaufen pikante Inhalte per Mausklick.

 

Wozu Kauf? Die Sachen gibt es „for free“

Gibt man heute bei Google einen freizügigen Begriff ein und klickt auf „Bilder“ bekommt man schon fast alles, was das „junge“ Herz begehrt. Der Suchbegriff „Sex“ liefert 1.740.000.000 Treffer, gefolgt von „iPhone“ mit 1.600.000.000, „Game of Thrones“ kommt immerhin auf 184.000.000. Da wirkt „Krieg“ mit 48.100.000 schon fast lächerlich. Ziemlich irre!

In Zusammenhang mit E-Books, MP3 (da CD ein veraltetes Medium ist), Computer-bzw. Konsolenspielen und anderen Datenträgern muss man eher die Frage stellen: Vor was kann man schützen, vor was lohnt sich der Schutz, wann kann man schützen und wie kann ein Schutz realisiert werden?

 

Entwicklung der Medien

Was also bringt die Kennzeichnung von Produkten, wenn die Gefahr gar nicht zwingend im E-Book, sondern bereits in anderen Webinhalten besteht?

So erscheint das E-Book geradezu harmlos, hat es vor der Publikation schon einige Prüfstellen im Verlag durchlaufen. Zudem stellt sich die Frage, welcher renommierte Verlag jugendgefährdende Inhalte ohne Hinweis in sein Programm aufnimmt. Selbst Verlage mit bestimmten Zielgruppen machen dies bereits vorher kenntlich.

Woher also plötzlich diese Regulierungswut auf dem Gebiet? Zwar haben Selfpublisher mit amazon und jetzt auch mit toline media eine große Bühne, dennoch sind gerade die erfolgreichen Einzelkämpfer daran interessiert, dass eben dieser Bereich nicht in Verruf kommt schmuddelig zu sein. So reguliert sich der Markt mehr oder weniger selbst und übernimmt quasi die „freiwillige Selbstkontrolle“ wirklich freiwillig.

Der Grund, warum einen solche Vorschläge manchmal die Tränen in die Augen treiben, ist eigentlich, dass man hier seitens der Politik und Ämter versucht, neue Technologien mit alten Mitteln zu regulieren. Dass dies nicht zeitgemäß ist, zeigt diese Beispiel nur zu gut.

Des Weiteren müssen wir uns bewusst werden, dass wir mit unserem Konsum- und User-Verhalten die Entwicklung des leichten Zugangs zu gefährlichen Inhalten stark forcieren. Webprozesse, insbesondere Kauf- und Bestellprozesse, werden darauf optimiert mit so wenigen Klicks und Informationen als möglich auszukommen, um Transaktion schnellstmöglich erfolgreich durchzuführen. Für eine Prüfung auf Alter ist da kein Platz. Warum auch? Schließlich hat das Marketing die Kinder und Jugendlichen als Zielgruppe längst entdeckt. Warum sollten ausgerechnet Verlage und Plattformen ein Interesse daran haben, den Verkauf ihrer Produkte – seien es nun Musikdateien, Apps oder E-Books – zu erschweren? Wie idiotisch dieses Vorgehen ist, beweisen gerade die Websites von Brauereien mit den gesetzlich verpflichtenden Altersabfragen. Für wie blöd halten wir unsere Kinder und Jugendlichen eigentlich?

 

Wo liegt die Verantwortung (Eltern, Politik, Webentwickler)

Eine FSK erleichtert auf den ersten Blick die Einschätzung eines Mediums, wenn man vor der Frage steht, ob es für das eigene Kind geeignet ist oder nicht. Trotzdem entbindet diese Kennzeichnung niemanden von der Verantwortung gegenüber seinem Nachwuchs.

Auch sollen die Möglichkeiten, die das Internet und die neuen Technologien bieten weder ein Argument noch Ausrede dafür sein, dass sie nicht kontrollierbar sind. Es stellt sich lediglich die Frage, wann und wo eine Kennzeichnung und Kontrolle sinnvoll sind, besonders im Hinblick auf Bücher und E-Books.

Ein Gesetz, das sich nur bedingt umsetzen lässt und kaum Nutzen bringt, sondern vielleicht sogar Schikane, ist zu überdenken. Das ist die Aufgabe der Politiker.

Einen Beitrag können durchaus auch Prozessentwickler und Coder leisten, schließlich sind sie diejenigen, die tatsächlich wissen, wie einfach diese Bestellprozesse funktionieren und an welcher Stelle man sinnvoll etwas tun könnte, um Kinder und Jugendliche von etwas abzuhalten, was nicht für sie bestimmt ist.

Und eins noch: Politiker und alle anderen Moralapostel sollten einmal an ihre eigene Kindheit und Jugend zurückdenken. Wenn man die schmuddeligen Heftchen haben wollte, hat man sie bekommen. Die Filme ebenfalls. Vielleicht nicht ganz so schnell wie heute per Mausklick, aber man bekam sie. Warum also meint man bei Büchern, dazu zählen für mich auch E-Books, so ein Fass aufmachen zu müssen? Wieso ist plötzlich der Inhalt eines E-Books „gefährlicher“ als der einer Printausgabe?

 

Und jetzt kommt wieder das Kuriose: Den größten Händler von E-Books betrifft es gar nicht. Da dieser Vertrag nur für in Deutschland ansässige Unternehmen gilt, fällt amazon nicht darunter. Ich frage mich, wie tolino darauf reagieren wird.

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