Expedition nach sentensi.de

BÄÄM! Die Innovation bei den Buchportalen ist online! So lässt es die Beschreibung auf founderio.com vom März 2016 vermuten. Oder ist es nur ein leises *plopp*?

 

sentensi_der_knüller

Wer bereits meine Expedition nach LOVELYBOOKS, einem seit Jahren existierenden Portal, das mit Buchempfehlungen und dem Thema Lesen, Inspiration etc., das Frau Nirenberg ansprach, so rein gar nichts zu tun haben scheint, gelesen hat, wird ahnen, was nun kommt, aber es kommt wahrscheinlich ganz anders.
Ja, ich habe mal wieder auf einem neuen Portal rumgeschnüffelt, um mir nicht nur ein Bild machen zu können, sondern auch Gedanken.
Diesmal hat es mich zu dem zugegeben sehr jungen Portal sentensie.de verschlagen, das das digitale Lese- und Kaufverhalten revolutionieren wird bzw. möchte bzw. versucht bzw…Puuuh!
Nach dem ersten „Oh!“ und „Ah!“ musste ich aber total enttäuscht feststellen:

Das ist doch wirklich ein noch nicht fertig konzipiertes LOVELYBOOKS für den gehobenen Leser. Meinen die das ernst?

Also machte ich mich auf die Suche nach den Inspirationen, Innovationen und den anderen -ionen, die mit solchen Projekten einhergehen. Ich wurde auch fündig: Der große Unterschied ist leicht erkennbar an diesen beiden Partnern:

sentensi partner

Und da hört die Sache auch schon auf, bevor sie richtig angefangen hat.

Bei sentensi.de handelt es sich also um ein Start-up und um den offiziellen Partner von Thalia, denn im Gegensatz zu bereits etablierten Portalen der Holzbrinck Verlagsgruppe und amazons goodreads, kann man bei dem digitalen Neuling die eingestellten Bücher ausschließlich über Thalia bestellen bzw. kaufen. Eine weitere Abgrenzung ist sicherlich die Zielgruppe, dazu später mehr.

 

Einfach und übersichtlich

Tatsächlich besticht das neue Leseempfehlungs-Portal durch seine Schlichtheit. Muss man bei LOVELYBOOKS Unmengen von Fragen beantworten, bis man endlich ein Profil erstellt hat, geht es bei sentensi.de gleich los, User und Passwort genügen, alles andere kann, muss aber nicht. Zudem ist gleich erkennbar, wie man seinen Account wieder löschen kann. Das ist durchaus vorbildlich, denn die meisten Portale neigen dazu, diese Funktion besonders gut und userfreundlich zu verstecken.

 

Keep it simple

Sentensi.de verfügt über genau fünf Funktionen:

  1. Bücherregal: Hier stellte man die Bücher über eine Suchfunktion ein und kann sie bewerten.
  2. Wunschliste: Das Gleiche wie beim Bücherregal, nur das es im eigenen Account getrennt dargestellt wird. Auf der Startseite allerdings nicht. Nicht registrierte User sehen nur, dass neue Bücher von anderen Usern eingestellt wurden.
  3. Ein Buch einem Freund empfehlen.
  4. Einen Freund zu sentensi.de einladen.
  5. Ein Buch über sentensi.de bei Thalia kaufen.

sentensi buecherreagl

Nachdem ich ziemlich schnell durch war, kam mir ein Gedanke: Vielleicht ist dieses Portal noch gar nicht richtig fertig? Keine Option eine Rezension zu schreiben? Kein Hinweis, ob man das Buch immer noch liest? Keine Kategorien für Krimi, Thriller, Lyrik, Sachbuch? Keine Markierung, wer das Buch ebenfalls gelesen und bewertet hat? Keine Interaktion mit anderen Usern oder gar dem Autor oder anderes Chichi?
Seit einigen Jahren teste ich solche Portale und Internetauftritte, gerne auch schon in bestimmten Phasen, wenn noch nicht alle Features online sind. Allerdings sind diese Portale immer irgendwo mit dem Zusatz „Beta“ versehen oder nur nach einer Bewerbung zum Test zugänglich. Doch bei dem Klick in die Presseseiten des Portals steht zu lesen, dass der offizielle Launch am 5. Juli 2016 war.

Zielgruppe und Intension

Nachdem ich gestern bereits die Startseite von sentensi.de mit zwei Pratchett-Romanen quasi verseucht habe (macht sich prima neben dem langweilen „Unschuld“ von J. Franzen und dem ausgelutschten „Der Fänger im Roggen“ von Salinger), las ich den Artikel bei buchreport.de – da steht nämlich:

 

” Sentensi verknüpft damit das Konzept des klassischen Buchshops mit der sozialen Komponente und schafft damit eine einzigartige Nutzendimension. Denn: „Freunde sind die besseren Empfehler und können die passendsten Tipps zu Büchern, E-Books und Hörbüchern aussprechen “, erklärt Natalie Nirenberg. „Zudem ist es spannend, zu sehen, welche Artikel andere Nutzer in ihre virtuellen Regale stellen.“…

 

Und an dieser Stelle habe ich mich dann doch gefragt, ob die Gründerin jemals ein Buch bei amazon bestellt oder einmal einen Blick auf die Konkurrenz geworfen hatte? Denn sowohl der weltgrößte Buchhändler als auch LOVELYBOOKS und goodreads verfügen bereits über all die Angebote, die sentensi.de als Inspiration momentan offeriert. Eine wirklich neue und erfrischend andere Idee ist auf diesem Portal nicht zu finden. Außerdem stellte sich mir die Frage, was genau ein klassischer Buchshop ist? Sind hier die Online-Auftritte der großen Buchhändler Deutschlands gemeint? Oder tatsächlich der BuchLADEN von nebenan, der in der heutigen Zeit wohl oder übel ums Überleben kämpfen muss? Oder sind gar die Verlagsseiten gemeint? Und was ist nun mit der einzigartigen Nutzendimension gemeint. Ist es etwa die Tatsache, dass es sich um ein Online-Portal handelt? Doch wo ist nun die soziale Komponente, außer, dass man seinen Facebook-Account nutzen kann, um sich einzuloggen? Oder ist es ausgesprochen sozial, wenn man seine Bücher ausschließlich über Thalia ordert? Ratlos sitze ich vor dieser Pressemeldung und suche nach Innovation, Inspiration und finde sie nicht.

sentensi startseite

Momentan scheint das Portal seine Leser nicht im Bereich der Jungendromane zu suchen, sondern will sich eher an den gebildeten Leser und Literaturkenner wenden. Vielleicht täuscht der Eindruck aber auch durch das sehr nüchterne Design, das auf viel Farbe und Bilder verzichtet. Die auf der Startseite gelisteten, neu hinzugefügten Bücher, zeigen deutlich, dass hier mehr die Leser 25+ angesprochen werden sollen, die zudem nicht immer gerne die leichte Kost lesen, sondern eher Klassiker oder Bestseller aus der SPIEGEL Online Liste und den Ingeborg-Bachmann-Preis Longlists. Dies kann aber natürlich nur Zufall sein und eine punktuelle Betrachtung. Dennoch, es ist auffällig, dass sich neben „Aus dem Leben eines Taugenichts“ auch „Der Steppenwolf“ findet. Sind das die innovativen Buchtipps von Freunden und Bekannten? Bücher, die wir alle schon zu Schulzeiten durchgekaut haben?
Gut, da passen meine zwei eingestellten Pratchetts wirklich nicht ins Bild, aber ich finde, das gibt der ganzen Sache eine weitere und neue Facette. Zumindest scheint der ältere und intelligente Leser sehr scheu zu sein, was die momentanen Userzahlen plausibel erklären würde.

Eine Alternative zu amazon

Ein Punkt, und hier wiederhole ich mich, zeichnet sentensi.de aus: Es ist garantiert amazon-frei. Thalia ist der exklusive Partner des Portals und somit für alle, die amazon meiden und ihre Buchhändler unterstützen wollen eine erste echte Alternative. Doch inwieweit dieses Portal den Buchhändlern helfen soll, bleibt offen.

sentensi buchbeispiel

Bücher und Preise – Self-Publisher mit Nachteilen

Die Büchersuche und das Einstellen ins Regal sind einfach gestaltet, allerdings ist die Suche auch sehr lustig. Bei der Suche nach TSCHICK von Wolfgang Herrndorf wurde mir an dritter Position ein Fachbuch über den Koran vorgeschlagen. Warum? Keine Ahnung! So kann man natürlich auch neue Bücher entdecken.
Was die Preise angeht, so gibt es von vorneherein keinen Unterschied und das liegt an der Preisbindung. So kann man dies weder als Vor- oder Nachteil für das Portal werten.
Einen klaren Nachteil bei diesem Portal haben allerdings Self-Publisher. Denn selbst Bücher, die über tolino media, einem Partner von Thalia, publiziert wurden, werden in dem Portal nicht gefunden.
Vielleicht liegt es an der fehlenden ISBN, die tolino media eigentlich ergibt. Diese wird aber in dem Thalia-Shop nicht mehr angezeigt, sondern nur noch die EAN, bei tolino media ist diese sehr wohl bei den publizierten eBooks sichtbar. Dies konnte ich an der eigenen Publikation überprüfen.

Was der Hintergrund ist und warum man hier sich wieder einmal einem immer größer werdenden Markt eher verwehrt, bleibt offen. Man steckt sehr gerne in den alten Denkmustern fest. Zwar ist nachvollziehbar, dass Buchhandlungen eher die Veröffentlichungen der Verlage verkaufen wollen, hier wird die Marge höher sein, als beim eBook für 1,99 EUR, aber die User lesen auch in diesem Segment und auch die Autoren, die selbst publizieren, haben ein Interesse daran, dass ihre Werke auf solchen Portalen erscheinen, gerade weil sie keinen Verlag haben, der diese Öffentlichkeitsarbeit für sie übernimmt. Schade!

 

Verlage, Blogger, Buchhändler und Autoren

Natürlich gibt es auch eine Rubrik für diese Zielgruppe bzw. für diese noch kommenden Partner. Was aber genau dahintersteckt, wird nicht verraten, außer, dass man mit sentensi.de mehr Bücher verkauft und sie besser präsentiert. Also alles das, was die anderen bestehenden Portale mit hohen Userzahlen auch schon bieten. Hierzu gibt es dann aber nur den Hinweis, man möge sich per E-Mail an die Betreiber wenden. Und mit was genau?

 

„Liebes sentensi.de-Team,

gerne würde ich mich als Autor bei Ihnen präsentieren. Welche Möglichkeiten gibt es? Eine Autorenseite mit meinen Büchern (die man vielleicht gar nicht auf Ihrem Portal einstellen kann), ein Autorenprofil, eine Leseprobe mit Zusatzmaterial? Ich habe da eine tolle Marketingidee, die sende ich Ihnen anbei, Sie scheinen ja momentan noch keine zu haben.“

Wir werden sehen, wen das Portal in den kommenden Monaten als Partner wird gewinnen können.

 

Wer steckt hinter sentensi.de

Hinter dem Portal stehen zwei Personen. Zum einen die Gründerin Natalie Nirenberg und zum anderen Nicolas Kölmel, der für die technische Umsetzung verantwortlich zeichnet. Aus den Jobangeboten kann man ersehen, dass die beiden noch Webentwickler suchen. Wer diese Branche etwas besser kennt, wird wissen, wie schwierig es ist, gerade in diesem Bereich Mitarbeiter anzuwerben.

Fazit: Wir werden sehen, was aus diesem Portal wird. Erfreulich ist es, dass Thalia versucht sein eigenes Ding zu schaffen. Schließlich belebt Konkurrenz das Geschäft. Doch momentan hat sentensi.de nichts zu bieten, vor allem keine User. Denn obwohl das Portal einige Zeit online ist, scheint es nur wenig Aktivität zu geben. Dies zumindest hat meine Beobachtung in den letzten vier Tagen gezeigt. Kaum Bewegung auf der Startseite, wo die neu eingestellten Bücher gelistet werden. Teilweise leere Bücherregale der registrierten User. Hier sollte schon was gehen, wenn man gestartet ist.

Allerdings bin ich selbst nur durch den Newsletter eines kleinen Stuttgarter Verlages auf das Portal aufmerksam geworden. Es kann also gut sein, dass eine richtige Marketing-Aktion noch geplant ist.

Momentan bin und bleibe ich eher skeptisch. Auch denke ich, dass LOVELYBOOKS und andere Konkurrenten einen sehr großen Vorsprung haben, aber schaut Euch die Sache am besten selbst an.

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