23 Uhr 12 – Menschen in einer Nacht

Adeline Dieudonné

Eine Autobahnraststätte in einer Sommernacht. Neonlicht, der Geruch von Benzin und Asphalt. Ein Dutzend skurrile Menschen auf der Durchreise. Und eine Frau, die über die Leitplanke auf die Fahrbahn klettert.

 

In zwölf Geschichten erzählt Adeline Dieudonné einen Roman aus eben zwölf unterschiedlichen Perspektiven, es sind einzelne Personen, die eine Nacht an der Raststätte erleben und jeder bringt sein Leben mit. Es geht um Gefühle und Entscheidungen, Ende und Neubeginn. Manchmal nur um eine Erkenntnis. Klar, auf einer Autobahnraststätte ist man eben auf der Durchreise. Doch wohin? Und genau dieser Frage geht die Autorin nach. Sie erzählt, wie die Personen dort hingekommen sind, wo sie aufeinandertreffen. Diese kurzen Momente mit langen Geschichten dahinter.

 

 

Dieudonné zeigt den Leserinnen und Lesern zwei Welten: Die Tankstelle mit dem Jetzt und was davor geschah, was ihre Figuren getan, was sie gedacht haben, bevor sie dort erschienen sind, wo sie sie scheinbar wahllos aufeinander treffen lässt. Und jede Geschichte ist auf ihre Weise schön hässlich, denn Dieudonné erzählt nicht von der gelangweilten Ehefrau oder dem frustrierten Geschäftsmann. Nein, da ist noch viel mehr hinter jeder Fassade. Stück für Stück setzt sie ein Puzzle zusammen, trotzdem ist jede Figur für sich allein, wenn sie zur Tankstelle kommt und wieder geht. Und das ist das Bindeglied – die Tanke.
Sex, Einsamkeit, Enttäuschung, Traumata und verlorene Träume sind die Themen, die die Autorin auftischt mit klarer Sprache und Wortgewandtheit.

Fazit: Kurzweilige Unterhaltung auf einem sehr angenehmen Niveau. Ein Buchtipp für alle, die eine Abwechslung zum Thriller suchen und den Perspektivwechsel mögen.

 

Eigene Meinung

Es ist eine ganze Weile her, dass mich ein Buch so amüsiert und zugleich traurig gemacht hat. Die Autorin hat es wirklich drauf, beim Lesen ein Wechselbad der Gefühle hervorzurufen. Die Figuren sind hart und klar. Jede spielt eine ganz bestimmte gesellschaftliche Rolle und jede trägt ihr psychisches Päckchen mit sich. Wie sie zusammenhängen, kann der Lesende selbst entscheiden.

Dieser Roman erzählt von mehreren Leben und wie sie an einer Tankstelle enden und neu beginnen. Die Botschaft ist klar: Wir wissen nichts über die Menschen, die wir treffen. Nicht mal dann, wenn wir sie näher kennenlernen, selbst wenn wir mit ihnen scheinbar glücklich zusammenleben. Über andere wissen wir nichts und sehen nur das, was wir sehen wollen. Die Erzählungen der einzelnen Personen fangen alltäglich an und werden gegen Ende makaber. Sie sind phantastisch erzählt, manchmal etwas abgehoben und oft sehr nahe an der Realität. Deswegen berühren sie, zwingen zum Nachdenken.

Ein bisschen erinnert der Aufbau an einen Film von Quentin Tarantino. Dieser hätte sicherlich seine Freude an diesem Buch. Es ist vielleicht ein bisschen sortierter als der Filmemacher.

 

Fazit: Für Thriller-Liebhaber genauso geeignet wie für jene, die gerne in die Abgründe menschlicher Seelen reisen und keine Probleme mit schwarzem Humor haben.

 

„…Die Wirkung war die einer Injektion von flüssiger Jauche direkt in die Adern. Der Mann, den sie liebte, hatte in diesem wimmernden Körper nie existiert…“

„…Nicht, dass Mauricio keine Kinder mochte, er fand nur, dass das Leben der Leute mit Kindern trist und kompliziert wirkte…“

„…Die Zivilisation hängt schlussendlich an Besitzurkunden. Und an Steuererklärungen…“

„… – es gibt Freundschaften, die existieren einfach, die müssen nicht erst langsam entstehen und gepflegt werden…“

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